Wenn ein Unternehmen mit Aussagen wie „110-jährige Möbeltradition“ für sich wirbt, muss es auch auf eine entsprechend lange Historie zurückblicken können. Ist das nicht der Fall, ist jede Werbung damit unzulässig. Darauf hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg in einem Urteil hingewiesen. Eine solche Werbung enthalte eine Qualitätsaussage, durch welche die Kaufentscheidung der Verbraucher zu Lasten der Wettbewerber beeinflusst werden könne, hieß es zur Begründung.

Im konkreten Fall hatte ein in der Region ansässiges Möbelunternehmen mit dem Slogan „110 Jahre Familientradition“ bzw. „110 Jahre Möbeltradition“ geworben und aus Anlass des „Jahrhundert“-Jubiläums entsprechende Sonderangebote gemacht. Ein Wettbewerbsverein hatte darauf vom Möbelunternehmen die Unterlassung der Werbung verlangt. Die Richter des OLG Oldenburg kamen ebenfalls zu der Einschätzung, dass die beanstandete Werbung wettbewerbswidrig sei „unter dem Aspekt einer irreführenden, weil inhaltlich falschen Angabe zu einer relevanten Eigenschaft des Unternehmens“. Zwar sei die Werbung mit zutreffenden Hinweisen auf einen langzeitigen Bestand und Erfolg eines Unternehmens als so genannte „Alters- oder Traditionswerbung“ grundsätzlich zulässig, da damit eine besondere unternehmerische Leistung hervorgehoben werde. Sie müsse jedoch auch den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen. Dies ist aus Sicht der Richter geboten, da diese Form der Werbung…

„…versteckte Qualitätssignale enthält, die geeignet sind, die Kaufentscheidungen der Verbraucher zugunsten des Werbenden zu beeinflussen. Das maßgebliche Qualitätssignal ist aus der Sicht des angesprochenen Publikums eine im modernen Wirtschaftsleben besonders seltene langzeitigkontinuierliche Aufrechterhaltung eines Unternehmens durch alle politischen und wirtschaftlichen Wirrungen innerhalb des angegebenen Zeitraums hindurch, in den (im Streitfall 1900 – 2010) zwei Weltkriege und einige Wirtschaftskrisen fielen. Wer unter diesen Umständen ein Unternehmen (jedenfalls im Familienverbund) überlebens oder zumindest wiederaufbaufähig erhalten hat, verdient aus der Sicht des Verkehrs Respekt und Vertrauen gerade auch in seine derzeitige unternehmerische Leistungskraft und die Qualität seiner Angebote.“

Im zu entscheidenden Fall hielten die Richter die Marketing-Behauptung „110 Jahre Familien- bzw. Möbeltradition“ jedoch für irreführend. Zur Begründung verwiesen sie darauf, dass das werbende Unternehmen erst 1992 gegründet worden sei und damit gerade nicht auf eine 110-jährige Geschichte zurückblicken könne. Es sei auch nicht ausreichend, dass es möglicherweise eine entsprechende Tradition in der Familie der Gesellschafter gebe oder es bei einem anderen, von Familienmitgliedern geführten Geschäft eine 110-jährige Möbeltradition gebe.

Die Entscheidungen des 1. Zivilsenats des OLG Oldenburg (Az.: 1 W 12/10) vom 22. April 2010 kann hier online abgerufen werden.

Mehr zum Thema: „Geschichtsmarketing-Leitfaden“ (Übersichtsseite)


Quelle: OLG Oldenburg
(Ende) geschichtskombinat/25.10.2010/mar

OLG Oldenburg verbietet unzutreffende Alters- bzw. Traditionswerbung
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